Gemeinsam sind wir stark

by Andre Kahles -- Apr 11, 2020

Vereint im Kampf gegen COVID-19

Kaum hatten wir unsere ersten Fragebögen online geschaltet, fanden wir uns auch schon in bester Gesellschaft. Es hatten sich auch andere Teams zusammengefunden und Tracker ins Internet gestellt. Ihr Ziel: anonym Gesundheitsdaten zu sammeln um damit besser Modelle zu bauen und eine besser Daten-Grundlage für Entscheidungen über die öffentliche Gesundheit zu schaffen. Das war doch auch unser Ziel! Es war sehr motivierend zu sehen, wie viele andere Menschen hier Initiative zeigten und dabei oftmals (und gern) ihre Freizeit für eine gute Sache opferten. Doch bei allem Positiven hatte die Sache leider auch einen Haken. Viele Teilnehmer sprachen uns an, weil es Verwirrung stiftete, dass es plötzlich mehrere Plattformen gab. Sollten sie den Fragebogen mehrmals ausfüllen? Auf welche Art hängen die Fragen der Einzelnen Portale zusammen? Werden die Daten miteinander geteilt? Wäre es schlimm (oder sogar erwünscht) die Fragebögen auf mehreren Plattformen auszufüllen? Diese und viele weitere Fragen erreichten uns täglich und wir sahen schnell ein, dass es wenig Sinn ergab die Schweizer Öffentlichkeit darum zu bitten ihre Daten mehrfach bei verschiedenen Umfragen abzugeben. Was sollten wir also tun?

Kontaktaufnahme

Wir fanden, dass jedes Projekt seine individuellen Stärken hatte. Die eine Plattform hatte einen schlanken, unkomplizierten Fragebogen den man intuitiv in wenigen Sekunden bearbeitet hatte, die andere bot viele wichtige medizinische Details, welche für gute wissenschaftliche Modellierung unabdingbar sind. Die eine Plattform hatte bereits damit begonnen Daten zu visualisieren und Datenpunkte über die Zeit hinweg zu erfassen, die ander hatte bereits erste Kontakte zu Ämtern und Behörden des Gesundheitswesens geknüpft. Die eine Plattform bot Übersetzungen in vier Sprachen an, die andere war besser auf tausende von Nutzern eingestellt. Wir könnten ewig so weitermachen - es gab unzählige gute Eigenschaften auf allen Seiten. Die Projekte unabhängig voneinander weiterzubetreiben schien uns keine gute Option. Es gab einfach zu viele Punkte bei denen wir voneinander lernen konnten. Wir entschlossen uns also gemeinsame Sache zu machen und eine Initiative gründen bei der alle zusammenarbeiten und ein gemeinsames Ziel verfolgen. Denn ist es letztlich nicht so, dass man dann das gemeinsame Ziel viel schneller erreicht?

Das Kleingedruckte

Wir hatten uns also entschlossen zusammenzuarbeiten. Doch was bedeutet das in der Praxis? Einige Schnellentschlossene schlugen uns vor einfach alle Daten in einen Topf zu werfen und fertig. So einfach war es dann aber leider doch nicht. Wie so oft bei gemeinsamen Projekten gab es viele verschiedene Beteiligte die alle unterschiedliche Interessen vertraten die wir aber auch möglichst alle berücksichtigen wollten. Einerseits wollten wir Daten sammeln, die schnell und sinnvoll im Gesundheitswesen zur Unterstützung der Entscheidungsfindung eingesetzt werden können. Andererseits wollten wir aber auch Daten sammeln, die für die Epidemiologen und ihre wissenschaftliche Modellierung nützlich sind. Auch wollten wir so viel Daten wie möglich so schnell wie mögliche einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen, dies aber alles im Rahmen der strengen Richtlinien für Ethik und Sicherheit die man beim Sammeln von Gesundheitsdaten (nicht nur in der Schweiz) einhalten sollte.

Um all diese Aspekte unter einen Hut zu bekommen und sie aufeinander abzustimmen, haben wir uns letztlich auf zwei Dinge konzentriert: einen Konsortiums-Vertrag aufzusetzen und einen gemeinsamen Ethikantrag an die Ethik-Kommission der ETH Zürich zu stellen. Wir hatten das unglaubliche Glück, dass wir in dieser Situation auf die Hilfe der Abteilung für Technologietransfer der ETH zählen konnten und dass der Kanton Bern uns vollumfänglich unterstützte. In normalen Zeiten kann es gut und gerne mehrere Monate dauern bis ein Konsortiums-Vertrag aufgesetzt und verhandelt ist. So viel Zeit hatten wir jedoch bei weitem nicht zur Verfügung - es musste schneller gehen. ETH transfer schaffte es in einer Rekordzeit von nur zwei Tagen einen Vertragsentwurf aufzusetzen. Zwei weitere Tage später war der Entwurf von allen Projektpartnern gelesen und erweitert worden und konnte als gemeinsamer Vertrag unterzeichnen werden, was am 7. April auch geschah. Dieser Vertrag stellt sicher, dass alle gesammelten Daten sowohl mit Vertretern der Wissenschaft als auch mit den Gesundheitsbehörden geteilt werden können und dass alle relevanten Ethik- und Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden. Er beschreibt auf welche Weise Daten und Ergebnisse veröffentlicht werden dürfen und stellt sicher, dass die Daten nicht kommerziell genutzt werden können. Der Vertrag regelt diese und viele weitere Details. Noch wichtiger ist aber, dass es auch eine klare Regelung gibt wie sich weitere Partner an der gemeinsamen Initiative beteiligen können um Daten zum gemeinsamen Pool beizutragen und dabei sicherzustellen, dass alle Anforderungen erfüllt sind. Wo wir gerade bei Anforderungen sind … Es gab da ja noch den Ethikantrag. Gleichzeitig zur Arbeit am Vertrag, haben wir gemeinsam den Ethikantrag des Projekts überarbeitet, damit alle Veränderungen die für unsere Zusammenarbeit notwendig waren sich auch dort wiederfinden. Schliesslich wurde der Antrag erneut der Ethikkommission vorgelegt die darüber positiv beschied. All dies ist innerhalb einer guten Wochen geschehen und wäre ohne die Unterstützung der Institutionen und die unermüdliche Arbeit von vielen Freiwilligen nicht zu schaffen gewesen. Doch das war leider nur der administrative Teil ...

Der Technik-Kram

Jetzt hatten wir unsere Zusammenarbeit zwar schwarz auf weiss geregelt und hatten einen Plan zur gemeinsamen Sammlung von Daten erarbeitet, doch es gab immer noch verschiedene Webseiten, verschiedene Datenbanken, verschiedene Designs, und und und. Da wir uns alle im home office befanden, brauchte es einen kleinen Marathon an Videokonferenzen, bis auch alle technischen Detailfragen geklärt waren: Wie sollte das gemeinsame Design aussehen? Auf welchen gemeinsamen Fragebogen sollten wir uns einigen? Welche Features sollte von welchem Projekt übernommen werden? Wie sollten wir unsere gemeinsame Entwicklungsarbeit gestalten? Um all dies zu klären teilten wir unsere Code-Repositories und diskutierten über Frontends, Backends, Datenbanken, Designs, Übersetzungen, Katzen, und vieles mehr. Am Ende stand ein neuer covidtracker.ch, der unserer Meinung nach das beste aus allen bisherigen Projekten vereint: einen wissenschaftlich fundierten, Ethik-zertifizierten Fragebogen, der sich in einem schlanken und durchdachten Design präsentiert und der durch ein kraftvolles und leicht skalierbares Backend gestützt wird.

Wie nun weiter?

Nach diesen sehr stressigen aber auch sehr aufregenden Wochen ist es nun an der Zeit, dass wir uns endlich auf unsere weitere Zusammenarbeit stürzen können. Es gibt noch so viele Ideen um Dinge besser zu machen. Wir möchten bald die ersten wissenschaftlichen Analysen der bisher gesammelten Daten veröffentlichen. Wir möchten die Aufbereitung der Daten für die Gesundheitsbehörden weiter verbessern und mit noch mehr Kantonen zusammenarbeiten. Wir möchten die Plattform noch bekannter machen und sicherstellen, dass möglichst jeder in der Schweiz unsere Seite kennt. Das Gute ist - bei all dem können Sie uns helfen! Haben Sie Fragen zu wissenschaftlichen Aspekten? Kontaktieren Sie uns einfach! Haben Sie Ideen oder Verbesserungsvorschläge für die Plattform? Kontaktieren Sie uns einfach! Finden Sie unser Projekt gut und sind der Meinung, dass auch andere an unserer Umfrage teilnehmen sollten? Kontaktieren Sie alle Ihre Bekannten und erzählen Sie ihnen von uns!